What Is Steady Anyway?

Project Info

  • 🖤 Klasse Sabrina Fritsch, Klasse Franka Hörnschemeyer
  • 💚 Julika Bosch, Nele Kaczmarek
  • 💙 Sammlung Philara
  • 💛 Kai Werner Schmidt
  • 💜 Leonie Pfennig

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What Is Steady Anyway?

250 Jahre Kunstakademie Düsseldorf

Klasse Sabrina Fritsch, Klasse Franka Hörnschemeyer

What is Steady Anyway? Was ist heute schon beständig, verfestigt, dauerhaft und stabil? Die Kunstakademie mit ihrer berühmt-berüchtigten Ausbildung und ihrem traditionsreichen Gebäude? Das akademische System in Deutschland, in dem auch im Jahr 2023 von Meister*innen und Schüler*innen gesprochen wird und die Klasse als Lernraum fortbesteht? Mit der Frage nach dem Wesen der Beständigkeit überschreibt die Sammlung Philara ihr groß angelegtes Ausstellungsprojekt zum 250. Jubiläum der Kunstakademie Düsseldorf. Alle Klassen waren eingeladen, zu diesem Anlass ein Ausstellungskonzept für die Räume der Privatsammlung in einer ehemaligen Glasfabrik in Düsseldorf-Flingern vorzuschlagen, am Ende überzeugten die Vorschläge der Klassen der Professorinnen Sabrina Fritsch und Franka Hörnschemeyer gleichermaßen. „Wir wollten aber nicht zwei einzelne Klassenausstellungen präsentieren,“ sagt Kuratorin Julika Bosch, „sondern beide Klassen in Dialog miteinander bringen.“ Überhaupt ist der Dialog, das Aufeinander-Eingehen und Sich-aufeinander-Beziehen ein Ausgangspunkt der Schau – sowohl zwischen den einzelnen beteiligten Künstler*innen als auch zwischen ihren Werken und der Architektur. So holte sich die Sammlung Philara eine zweite Kuratorin ins Boot, Nele Kaczmarek vom benachbarten IMAI – Inter Media Art Institute, und im Team sichteten die beiden Kuratorinnen die Arbeiten und Ideen von 49 beteiligten Studierenden und Absolvent*innen, um gemeinsame Themen und gedankliche Stränge in den so unterschiedlichen Werken auszumachen, die in einzelnen Räumen in Austausch gehen könnten. Wer in welcher Klasse ist, spielte erstmal keine Rolle – anders als bei den Akademierundgängen geht es hier gerade nicht um die Präsentation einer Klasse als in sich geschlossener Kosmos, sondern um die einzelnen Positionen im Zusammenspiel mit bewusst ausgewählten anderen und deren individuellen Vorstellungen für einen ganz spezifischen Ausstellungsort. Und weil beide Klassen trotz ihrer eigentlichen Zuordnung zu den klassischen Fachbereichen Malerei (Sabrina Fritsch) und Bildhauerei (Franka Hörnschemeyer) multidisziplinär arbeiten und kein Medium dominiert, gerät das Projekt auch nicht zum „Wer-studiert-bei-wem-Ratespiel“, sondern fügt sich zu einem sich von Raum zu Raum fortbewegenden und weiterentwickelndem Ganzen.

Die Ausstellung ist als Prozess in zwei Phasen angelegt, in dem sich einzelne Arbeiten verändern, die Positionen tauschen, wieder verschwinden oder neue hinzukommen. „Es ist schön, solche prozesshaften Arbeiten zu zeigen, die sich verändern, so wie es auch der Arbeit im Atelier entspricht. Man kann die Ausstellung in unterschiedlichen Momenten erleben“, beschreibt es Julika Bosch. Aktuell läuft Phase II der Ausstellung, und wie schon in der ersten Phase besetzen die Arbeiten das Sammlungsgebäude wie neugierige Gäste, die sich mal umschauen wollen, hinter Ecken und in Nischen lugen, hier und da Vorschläge für die Einrichtung geben, ohne zu aufdringlich zu sein. Vielen Arbeiten ging eine sehr genaue Beobachtung des Raumes voraus, Markierungen auf dem Boden, verschlossene Türen und undurchsichtige Fenster, die man sonst bei einem Ausstellungsrundgang leicht übersieht, wurden in den Fokus gerückt. Anna Sphak ließ eine Abdeckplatte auf dem Boden entfernen und ein passendes Absperrgitter über dem so entstandenen Ausschnitt ergänzen, um den Blick in den darunter liegenden Lagerraum zu öffnen, in dem sich die Vergangenheit des Gebäudes mit der Ausstellungsgeschichte der Sammlung Philara verbindet. Daneben erweitert Anna Orlinski das Treppenhaus um eine Fiberglasarbeit, die aus dem funktionalen Gebäudeteil eine begehbare Installation macht. Gleich mehrere Künstler*innen haben sich für die Treppe interessiert, sagt Julika Bosch, ein Raum, der sonst eher nicht beachtet wird.

Jonathan Wagner, Sunyou Jeong und Sonja Heim besetzen mit ihren Arbeiten das Schaulager, das sonst verschlossen ist und eher als Abstellraum dient. Nun wächst dort eine große fließende Skulptur aus Metallgittern und Streifen von ausrangiertem Linoleumfußboden vom Fenster zum Boden und fügt sich geschmeidig in die Materialität des Raumes ein. Darin steckt auch die Frage danach, was eigentlich bewahrenswert ist, was gesammelt wird und was bleibt. Sonja Heim hat unzählige kleine Löwenzahn-Skulpturen im Raum und auf der Treppe platziert, die den kargen und kühlen Raum wie kleine Fabelwesen beleben. Und Sunyou Jeong nutzt die metallenen Schaulagerwände als Hängefläche für ihre zarten Lithografien, die einzelne Schritte aus dem Druckprozess offenlegen, genauso wie der Raum seinen eigentlichen Zweck nicht verschleiert.

Besonders wird die Ausstellung an den Momenten, in denen zwischen zwei komplett unterschiedlichen Arbeiten eine Verbindung entsteht, die dem Raum eine neue, dritte Ebene hinzufügt. Das passiert zum Beispiel im Zusammenspiel der großen Wandmalerei von Hannah Malka Papendieck und den Fotoarbeiten von Hannah Linden. Linden kombinierte eigene Schwarz-weiß-Aufnahmen mit historischen Bildern aus dem Deutschen Tanzarchiv Köln, deren performative Bewegung sich in der gestischen Wandmalerei gegenüber spiegelt.

Im oberen Geschoss spielen einige Arbeiten mit dem Verhältnis von öffentlichem, repräsentativem Leben und dem, was sich im häuslichen Umfeld, hinter verschlossenen Türen abspielt. Wie zufällig abgestellt steht ein Wäscheständer von Sven Dirkmann mit einer weißen Bettdecke und einigen Kleidungsstücken vor dem Durchgang zu einem Kabinett. Der Stoff ist mit Zitaten aus Horrorfilmen bestickt, in denen Geborgenheit und Grusel gleichzeitig angesprochen werden. Im Raum dahinter stehen auf schlichten Sperrholzboxen kleine Stillleben aus gefundenen und gesammelten Objekten, die wie Charakterstudien oder gegenständliche Porträts von fiktiven Personen gelesen werden können. Zigarettenschachteln von Billigmarken, das Modell eines Plattenbaus, Medikamente, Miniaturmöbel, aber auch Spielzeuge und Postkarten zeugen von einer verblassten und leicht angestaubten Vergangenheit, die trotz der mitschwingenden Tristesse auch schöne Momente beinhaltet.

In den letzten Räumen der oberen Etage beschäftigen sich Flora Weber, Sophia C. Aiona Weische und Sonja Heim mit der Funktion von Rahmungen und Displays. Während Webers Zeichnungen von Dingen, die in Vitrinen und Schaufenstern liegen, in einem Arrangement aus Bilderrahmen ohne Glas gezeigt werden, wählt Weischer einen hölzernen Paravent als Präsentationsform für ihre Zeichnungen. In diesen interagieren nackte, geschlechtslose Personen in teils intimen und nahen Begegnungen, ohne sich dabei körperlich zu berühren. Und Sonja Heim nahm die scheinbar unmögliche Aufgabe auf sich, einen 400 Kilo schweren Marmorsockel aus dem Depot der Sammlung in den ersten Stock hieven zu lassen, um ihn zum Zentrum einer Installation zu machen, die dem Verhältnis von angewandten, dekorativen Techniken, DIY und „hoher“ Kunst nachgeht.

Auf der Dachterrasse wird das Prozessuale der Ausstellung besonders greifbar. Zu braunen Fladen geschmolzen hat die Lehmskulptur von Tonia Fee Graß unter Einwirkung der Witterung den Aggregatzustand gewechselt und löst sich allmählich auf. What is Steady anyway …

250 Jahre Kunstakademie Düsseldorf

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